Ekel
Der Ekel ist aller bösen Säfte letztes Sammelbecken. Das Becken gärt und bäckt an, qualmt und braust, so dass wir unbeschadet weder hören, noch sehen, noch riechen können. Ein unkeuscher Brei. Auf der Schicht, die sich darauf bildet könnten wir tanzen. Eine Krampfader zuviel, eine Fistel mehr, und immer unansehnlich in unserem Blickfeld.
Der Ekel bricht sich seine Bahn. Was zuvor nur ein leichtes Ärgernis war, ein Hauch von ästhetischem Ungenügen, ein vorübergehendes Gefühl
von Unwohlsein, ist auf einmal ein lodernder, existentieller Widersinn. Gegen alles, was sich, nur weil es zwei Beine hat und keine Federn trägt, einbildet Mensch zu sein. Ach, an Hässlichkeit gewöhnt man sich, aber nicht an die Tatsache, dass sie nie ein Ende hat.
Warum lassen die Hässlichen, sobald es auch nur ein wenig wärmer wird, unabänderlich als Erste ihre Hüllen fallen? Warum erachten gerade sie es als so unumgänglich, fast alles vor der Außenwelt zu entblößen? Während so manche Schönheit noch eine dezente Strumpfhose oder einen Flanell handhabt, ist der Rest eine große Parade von dampfenden Achseln, grauen Haarschöpfen, rostigen Schenkeln, von Hängetitten und Bäuchen, die einem falsch umgehängten Rucksack gleichen. Blutergüsse und Ekzeme – allgegenwärtig.
Sobald die Sonne scheint, hat der widerlichste Teil der Menschheit sich bereits entblättert. Der hübschere Teil wartet bisweilen noch ein wenig, doch alles, was blubbert, schwitzt, hinkt, schief hängt und eitert stellt, mir nichts, dir nichts, hoppla, so schnell es geht, ohne auch nur einen Moment des Zögerns, sich selbst zur Schau. Es ist nicht nur ein Eindruck, es ist eine statistisch erwiesene Tatsache.
Gerade diejenigen, die der Umwelt zuliebe – und bei einer zwölfjährigen Strafe am Galeerenriemen – die intimeren Segmente ihrer Skelettbespannung dem Blick der Öffentlichkeit entziehen sollten, finden ein teuflisches Vergnügen daran, ihre Unterwäsche, holterdiepolter, in die Bäume zu hängen. Von diesem Moment an regiert die Suggestion es ist, als sähen wir nichts als Hässlichkeit. Sogar die, die nur einen unauffälligen Makel auf Lager haben, einen Nagelpilz, ein Augenstäubchen, eine Warze, widern uns an, selbst wenn sie sich ansonsten durchaus für eine Ausstellung eignen würden.
Das Bild zerfällt in seine Bestandteile. Plötzlich realisieren wir, dass auch diejenige, mit der wir in intimer Verstrickung die Welt vergessen wollten, in einer Liebesorgie nicht mehr ist als ein Schleimbeutel, ein Sack mit Knorpeln, Blut und Scheiße.
Es ist zugegebenermaßen vor allem die Innenseite – ja, hier sind die Prioritäten vertauscht – nichtsdestotrotz ist es ein Sack, den wir in unseren Armen halten, ein Sack voller Übel. Immer haben wir ihn dabei, auch in uns selbst.
Wir schleppen, selbst wenn wir auf dem einsamsten Kap den eindrucksvollsten Sonnenuntergang bestaunen, unseren Kot mit uns. Jede unsterbliche Verszeile, jede Vision, jede Erfindung die das Ansehen der Welt verändert hat ist mit, sagen wir, fünfundfünfzig Zentimeter Abstand eines Haufen Kotes entstanden. Ein unerträglicher Gedanke. Die menschliche Vernunft kann so himmelhoch jauchzen, der Geist kann solch hohe Bahnen beschreiben- sich von jenem Kot entfernen,
das kann er nie.
Säcke mit Scheiße sind es, die wir über den Strand hinken sehen, Beutel voller Eiter, die wir in der Sonne schwitzen sehen. Keine Seele, wie rein sie auch sei, kann den Kot abschütteln.
Nie mehr, niemals, wird der Ekel wieder von uns weichen.