Ekel

Der Ekel ist aller bösen Säfte letztes Sammelbecken. Der Ekel bricht sich seine Bahn. Was zuvor nur ein leichtes Ärgernis war, ein Hauch von ästhetischem Ungenügen, ein vorübergehendes Gefühl von Unwohlsein, ist auf einmal ein lodernder, existentieller Widersinn.

Geilheit

Befriedigung lässt sich nicht erzwingen. In der Encyclopaedia Britannica steht, so las ich, dass moderne Sexologen das Masturbieren ausdrücklich empfehlen. Es hat, so behaupten sie, eine beruhigende Wirkung. Spannung würde dadurch entladen. Nichts ist weniger wahr. Man wird nur geiler davon.

Grimm

Der Ärger ist etwas für die kleinen Momente zwischendurch, die Wut für die gewöhnlichen Tage der Woche und der Zorn für den Sonntag. Grimm ist lediglich etwas für ganz spezielle Situationen. Der Grimm indes verharrt in Ruhe und schweigt. Denn nur er ist allgegenwärtig. Willfährige Diener der Verblendung.

Hass

Der Hass ist, nicht anders als die Liebe, etwas Lebendiges. So wie alle starken und bedingunslosen Triebe eine destruktive Seite besitzen, so ist auch der Hass, als Ausdruck dessen, dass wir am Leben hängen, destruktiv. Wie die Liebe. Geboren werden bedeutet, dass man schon in seiner Wiege mit Fehlgeburten, die sich Mitmenschen nennen, umgeben ist. Sterben bedeutet, dass man schließlich in seiner Kiste liegt, ohne je einem Menschen auch nur begegnet zu sein.

Liebe

Liebe Ein guter Test für die wahre Liebe sei, sagte einst Barbellion oder jemand dergleichen, ob du den Gedanken, die Fußnägel des Geliebten zu schneiden, ertragen könntest. Das ist in der Tat ein zitables Bild. Fußnägel symbolisieren in einer weniger verklemmten Zeit den Abfall dem man sich ohne Ekel stellen muss, wie Schweiß oder Exkremente. …

Verantwortlichkeit

Du sitzt am Steuer und auf einmal schmettert ein Vögelchen gegen die Windschutzscheibe. Kurz das sanfte, weiche Geräusch einer Wärmflasche, wie wenn sie gegen eine Wand geschlagen wird. Dann Stille. Blut und ein paar Federn, das ist alles was bleibt. Du bist ein Mörder. Blutbäder scheinen nun – auf einmal – unvermeidbar und marginal. Gottes eigene, unschuldige Kinder.

Neid

Der Neid, das wissen wir alle, ist grün und gelb. Vor allem aber wissen wir eines: jeder ist damit behaftet, nur wir selbst nicht. Es gibt keinen anderen Makel, den wir so voreilig und bei den unterschiedlichsten Anlässen einem anderen unterstellen, wir selbst jedoch sind immer erstaunlich frei davon. Unterdessen sitzt jener grüngelbe Raubvogel auch auf deiner Schulter und grinslacht. Er weiß, was für eine Narrenkappe auch immer du ihm aufsetzt, eines Tages wird er dir seine Krallen in den Hals schlagen und sich über jene Komparsenrolle, die du ihm befohlen hast, hinwegsetzen. Er wird triumphieren, wie der König aller Tragödien.